Sag niemals nie!

♬ Still loving you ...

Det & Heike

»Der Fünfundzwanzigste«

Einer langen Liebe kurz‘ Geschichte

Für Heike und Flavia


 

»The Sun ain’t gonna shine anymore«

Als Typ bin ich ein Sowohl-als-auch. Kein Ja-Sager – einerseits. Andererseits kann ich Bitten nur schlecht abschlagen. – Einerseits bin ich gerne mal allein. Genieße die Zeit, die ich nur für mich und meine Gedanken habe. Andererseits bin ich gern der Mittelpunkt einer geselligen Runde.  – Einerseits bin ich schnell entschlossen, auch bei weitreichenden Konsequenzen. Andererseits … –

Eigentlich wollte ich nie mehr heiraten. Einmal reicht! Ich hatte es probiert, es hat nicht gehalten. Wer braucht schon ein kaputtes Herz, eine zerstörte Familie. Sowas heilt nie ganz. Einmal und nie wieder, hatte ich mir geschworen! Wenn manche heutzutage darüber sinnieren, ihr Geschlecht zu wechseln, so wollte ich damals zukünftig lieber geschlechtslos sein! Denn für mich allein wäre ich emotional auf der sicheren Seite – no woman, no cry! Bob Marley hatte schon ganz recht. Tina Turner auch, und die sah Beziehungskisten mit den Augen einer Frau: Who needs a heart when a heart can be broken! Man sieht: zwei Geschlechter, eine Meinung!

Für alles gibt es anscheinend einen Song. Seltsam, dass die meisten von Leid und Schmerz erzählen. Für Hoffnung und Zuversicht fällt mir tatsächlich keiner ein. Drama lässt sich wohl leichter verkaufen. Warum eigentlich? Ist enttäuschte Erwartung, quasi die Ernüchterung nach dem emotionalen Höhenflug, der Normalzustand einer Beziehung? Das Grundrauschen, das man nicht hören wollte solange die anfängliche Verliebtheit überlaut war? Ist dauerhaftes Glück vielleicht gar die Ausnahme von der Regel? Welch desillusionierende Vorstellung!

»Hinter dem Horizont geht’s weiter«

Unser Rausch, Heikes (Mama) und meiner (Vaddr), begann unvermittelt – also ohne Parship oder andere Plattformen. Einerseits hätte ich damals gar nicht das Bedürfnis gehabt, anderseits hieß Tinder damals noch Betriebsausflug. Es war kein zartes Kennenlernen. Nein, bei uns war es eher ein Naturereignis wie Blitz und Donner! Nicht auf einem Betriebsausflug, aber bei einem mehrtägigen geschäftlichen Meeting – damals, in der Römervilla in Neu-Ulm.

Geradezu schockverliebt waren wir. Dabei wollte ich eigentlich keine neue Beziehung. Und schon gar nichts Ernsthaftes! »Ich hoffe doch, das war keine einmalige Sache!«, wollte sie wissen. Klare Ansage! Was konnte ich darauf schon ehrlich antworten? Ich wusste es doch selbst nicht. Einerseits war da endlich wieder ein Gefühl im Herz, andererseits schmerzten noch die frischen Narben auf der Seele: »Das Herz sagt bleib, der Kopf schreit geh!« – Herz über Kopf, Joris.

Die Altlasten schienen zu schwer, um unbelastet etwas Neues zu beginnen. Zu vieles blockierte noch Herz und Kopf. Alles braucht seine Zeit. Außerdem war da noch die Entfernung! Aus den Augen, aus dem Sinn? Rotschöpfchen im Ländle, der böse Wolf beinahe schon im bayrischen Wald. Zwischen beiden mehr als dreihundert Kilometer – und sehr, sehr teure Telefonrechnungen! Und erst die Spritkosten! Ich glaube, Mama hat die Hälfte ihres Geldes allein für unsere Telefonate und die Reisen zu mir aufgebraucht – auch das ist Liebe!

»I wanna hold your hand«

Dann die Erkenntnis, dass man nicht mehr getrennt sein will: Wir ziehen zusammen! Doch wo soll das sein? Reutlingen oder Regensburg, Kopf oder Zahl? Nein, der Kopf sagt: dort wo man gemeinsam Arbeit findet! Mama (Reutlingen) gewann. Mit Einschränkungen. Als Papa hat man Verpflichtungen, und den Sohn aufzugeben war nie eine Option. Also behielten wir die Regensburger Wohnung. Fürs Papa-Weekend alle zwei Wochen. Teure Verantwortung und zeitaufwändig dazu. Zwei Wohnungen unterhalten und alle 14 Tage knapp 700 Kilometer abspulen, bei jedem Wetter – das geht nicht nur ins Geld. Ohne eine verlässliche, aufopfernde, liebende Partnerin nicht zu schaffen! Auch der endgültige Schlussstrich unter die erste Ehe – ohne Mama wäre es kaum zu verkraften gewesen!

Mit der Zeit hatte man sich daran gewöhnt, zusammen zu sein. Unverheiratet. Hatte ich ja offen und ehrlich verkündet, dass Ehe und eine neue Familie für mich kein Thema mehr waren. Mama hatte sich wohl schon damit arrangiert. Aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an. Für mich. Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, wie ich ein Mann vom Niederrhein, antwortete einmal auf die Frage, warum er entgegen seiner Einstellung irgendwann dann doch geheiratet hatte, sinngemäß so: Alle sagen, es gehe schließlich auch ohne Trauschein. Aber dann, wenn es ohne geht, dann geht es doch auch mit – oder?

Tja, ich hatte lange über diese Worte nachgedacht. Irgendwann stand mein Entschluss: ich würde meiner Partnerin das DU anbieten! Quatsch, ich wollte nur sehen, ob ihr noch wach seid! Natürlich ging es um DIE Frage! Die eine, wo man sich hinkniet und die Schachtel mit dem Ring zückt! Viel zu lange hatte ich mich schon drum herumgedrückt. Unglücklicherweise … Nein, dummerweise – nein, klingt auch nicht schön! Also, ich hätte es natürlich gerne genauso gemacht, aber leider … Manno! Nein, nicht leider – wie drücke ich das bloß richtig aus?

Ich fang nochmal an: also, die grundsätzliche Ablehnung gegen die Institution Ehe war schon mal überwunden. Und die Vorstellung, eine »neue« Familie zu gründen, war irgendwann auch im Herzen angekommen. Auch das Urvertrauen, beides wieder zu wagen, war da – endlich. Keine Spur vom verflixten siebten Jahr! Es brauchte nur noch einen kleinen Schubser.

»To be or not to be (Shakespeare) – do be do be doo (Sinatra)«

Zeitsprung: Winterurlaub. Ort: Niederrasen in Südtirol. Für Interessierte: das liegt gleich neben Olang. Nach dem Abendessen bei Frau Schuster sitzt man in trauter Runde noch zusammen: Petra, Steff, Manne, Heike und ich. Die anderen sprechen reichlich dem Grünen Veltliner zu. Ich bleibe beim ‚Aqua minerale‘. Warum? Keine Ahnung. Entgegen meinem Naturell bin ich still, also verhältnismäßig. Und je länger ich Petra und Steff betrachte, desto stärker wächst in mir das Gefühl der Gewissheit. Mir wird klar, was ich will – und das muss raus! Jetzt, auf der Stelle! Auch ohne Ring. Hinknien geht nach einem anstrengenden Tag auf Brettern inklusive schmerzhaften ‚Snowdiving‘ sowieso nicht. Ich blicke meinem Schwiegervater-to-be fest ins Auge: Ob er was dagegen hätte, wenn ich ihn um die Hand seiner Tochter bäte?

Schlagartig verstummt jedes Gespräch. Vier Augenpaare sind auf mich gerichtet. Heikes ungläubiger Blick drückt … Fassungslosigkeit aus? Manfred fängt sich als Erster wieder: »Das fragst du mich bitte morgen früh noch mal – wenn du wieder nüchtern bist!« Ungerührt und bestimmt entgegne ich: »An diesem Tisch bin ich wohl der Einzige, der noch nüchtern ist. Aber wenn du meinst – meine Entscheidung steht auch morgen noch!« Petra ist sichtlich gerührt und umarmt Heike innig: »Godderle, is des goldich!« Stefan klopft mir anerkennend auf die Schulter: »Gut gemacht, Großer! Wurde auch Zeit!« Jetzt kommt auch Manfred nicht länger um seine Einwilligung herum. Und plötzlich lachen und reden alle auf einmal – ein fröhliches Durcheinander. Unvergesslich, dieser Dienstag, der 20. Februar 2000.

»You can’t hurry love«

Lange warten wollte ich jetzt aber auch nicht mehr! Die Hochzeit sollte ‚asap‘ stattfinden – as soon as possible! Der Termin stand, aber Opa Gerhard fand keine Pflege für Oma Elli. Es müsse der zweite Mai sein, sonst könne er nicht kommen. Also gut, man einigte sich auf den Zweiten. Dann starb Oma. Am 29. März. Den Termin jetzt nochmal ändern? Nein, danke – ich hatte das Ganze schon viel zu lange aufgeschoben, mindestens 5 Jahre. Irgendwann muss man mal zu Potte kommen.

Endlich war er da, der große Tag! Wieder ein Dienstag. Mit Sonnenschein! Ein gutes Zeichen für die Ehe? Sicher, aber galt das auch für den Staub auf meinem neuen Peugeot 406? Der sah in der Sonne auf dunkelblau echt sch… unschön aus. Also schnell noch in die Waschanlage – 40 Minuten vor dem Termin am Standesamt! Ein bisschen knapp, aber ‚just in time‘ ist eine Spezialität von mir. Typisch ich, meinte Heike, immer auf den letzten Drücker. Dabei wäre beinahe sie es gewesen, die den Termin hätte platzen lassen. Die Postfiliale neben ihrem Frisörsalon wurde überfallen – just zu der Zeit, als meine Braut sich ihre Haare zur Hochzeitsfrisur hatte hochstecken lassen! »Hier können Sie jetzt nicht weg!«, wies der Polizist sie streng zurück. »Hören Sie: ich heirate um vier! Entweder ich kann jetzt gehen, oder ich fahre nachher zu Ihrer Frau und erzähle der, dass Sie meine Hochzeit sabotiert haben!«

Okay, der Dialog ist frei erfunden, aber so ähnlich könnte es durchaus gewesen sein. Zuzutrauen wäre es meiner Frau in jedem Fall. Der Beamte hatte gottseidank dann doch ein Einsehen. Und so waren wir beide letztlich pünktlich vorm Altar – wer hätte das gedacht! Gut, hinten raus war es schon Spitz auf Knopf, will sagen, zeitlich ordentlich eng. Ich musste noch mein Hemd bügeln, zwanzig Minuten vor der Trauung. Ich würde sie allmählich wahnsinnig machen, meinte die Braut. Noch könne sie es sich überlegen, war meine Antwort. Ich vermute mal, damals tauchte insgeheim die Frage auf, ob auch eine Braut Anspruch auf Witwenrente hat. Egal, fünf vor trudelten wir ein. Letztlich mit reichlich Zeitreserve. Meine Meinung. Ja, gut, die hatte ich exklusiv …

Es wurde dennoch eine heitere Trauungszeremonie, jedenfalls wurde viel gelacht! Und obwohl wir unser ‚Ehebett‘ untervermieten und im Wohnzimmer nächtigen mussten, hatten wir eine schöne Hochzeitsnacht – Ikea sei Dank! Das ließen wir uns nicht nehmen! Tja, und gehalten hat’s ja dann auch. Immerhin schon 25 Jahre – plus sieben, wie wir beide stets gerne hinzufügen.

»Ring of Fire«

Und was ist nun das Geheimnis, damit eine Ehe so lange besteht? Ganz einfach: Nicht vorher abhauen! Nein, ernsthaft – es hilft ungemein, sich an die schönen gemeinsamen Stunden zu erinnern. Und auch daran, wie man sich in schweren Zeiten gegenseitig gestützt hat. Dankbarkeit hilft in jedem Fall!

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagte Hermann Hesse. In der Ehe geht darum, diesen Zauber zu bewahren. So wie ein wärmendes Herdfeuer, das man nicht ausgehen lässt. Auch dann nicht, wenn nebenan ein Strohfeuer größer und heller erscheint. Der Sommer wird gehen, die kalten Tage werden kommen. Dann ist es gut zu wissen, dass noch Glut da ist – damit man das Feuer wieder neu entfachen kann.

Halt, stopp! Mir fällt doch noch ein Song mit Happy End ein: »Knowing my fate is to be with you – ou wou wou wou …«

Yep, richtig erkannt: Waterloo, ABBA – Agnetha, Björn, Benny, Anni-Frid.

(Fuck, die sind alle geschieden …)

… to be continued …


 

Hochzeits-BILD
Flachgelegt
Locker vom Hocker
Schau mir in die Augen, Kleines
Rotschöpfchen …
…und der böse Wolf
Business as usual
Marilyn N.
True Laugh

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..