»Non scholae sed vitae discimus«
Die nachfolgenden Texte stammen teilweise aus meinem inzwischen gelöschten Account bei Stayfriends aus 2011. Ich habe sie ein wenig aufpoliert.
Natürlich will Töchterchen auch wissen »Wie war es denn damals so in der Schule?«. Hm … verdamp lang her. Vermutlich sind auch wir nicht besonders gerne hingegangen. Ein notwendiges Übel eben! Die besten, oder besser gesagt, die frischesten Erinnerungen habe ich an meine Gymi-Zeit, an das Otto-Hahn-Gymnasium in Dinslaken. Und an einige Lehrer. Na, dann starten wir sie doch mal, meine »Infamous Hall of Fame«.
- Werner Radermacher (Englisch, Geschichte)
1968, mein erster Tag im OHG, einem reinen Jungengymnasium. Wir waren 47 (!) Knaben in der Quarta. Hieß damals so im Gymi: Sexta, Quinta usw. Die Klasse bekommt einen total verpatzten Englisch-Test zurück. Auftritt des Klassenlehrers: Werner Radermacher erstürmt den Raum! Sein Luftzug saugt die Tür krachend ins Schloss. Tasche und die Hefte mit der versauten Klassenarbeit landen unsanft auf dem Lehrerpult. In Millisekunden verwandeln sich die geschätzt 65 Kilo Lehrkörper in hochexplosives Nitroglycerin. So was von Wutausbruch war mir bis dahin fremd. Ich sitze ganz hinten und nehme vorsichtshalber volle Deckung – safety first! Obwohl das Strafgericht mich mangels Mittäterschaft eigentlich nicht betrifft, werde ich hinter meinem Tisch immer kleiner. Auf der Suche nach Delinquenten tobt sich Rumpelstilz Radermacher durch sämtliche Reihen bis in die hinteren Stellungen. Als er schließlich mich erblickt, bemerkt er wohl die Panik in meinen Augen. Er dreht kurz bei und sagt mit freundlichster Kreidestimme: »Ach, hallo – du bist wohl der Neue. Detlev, stimmt´s? Ich hoffe, dir gefällt´s bei uns!« – (Wie bitte?) »Äh, äh, ja?« (Mami, hol mich bitte vonne Zeche!) – »Bist wohl ordentlich erschrocken, was? Keine Angst, so ist das hier nicht immer. Hast nur einen schlechten Tag für deinen Start erwischt.«
Sprach´s, drehte sich um und tobte weiter. Wie ich erfuhr nannte man in deshalb auch (etwas despektierlich) »Radaumacher«. Meine erste Begegnung mit »WR« vergesse ich jedenfalls nie.
Auch nicht unsere (leider) letzte, anlässlich eines Jahrgangstreffens. Herr Radermacher rief mich auf dem Handy an. Ich war gerade in einer Besprechung. »Na, haben Sie Zeit für Ihren uralten Lehrer?«, überraschte mich seine markante Stimme. Ich erkannte ihn sofort: »Say it in English, please!«, konterte ich umgehend. Ich war zugegebenermaßen überrascht, hatte man doch seit meinem Abi nichts mehr voneinander gehört und das war nun auch schon Jahrzehnte her. Dennoch erinnerte Herr Radermacher sich an mich. Dabei war ich lediglich ein durchschnittlicher Schüler. Er hatte sich die Mühe gemacht, meine Nummer über Umwege zu besorgen und lud mich nun persönlich zum 40-jährigen OHG-Fest ein. »Dass Sie sich noch an mich erinnern, erstaunt mich jetzt wirklich!« Im Übrigen bestünde ich auf dem Privileg, weiterhin von ihm geduzt zu werden. Schließlich kenne er mich schon, seit ich ein Knabe von 11 Jahren war, also bitte nicht so förmlich. »Detlev, wie könnte man einen wie dich vergessen«, rührte mich mein alter Lehrer. Ich war baff und lauschte. Die Sitzung ging erst nach 30 Minuten weiter.
Seinetwegen reiste ich also in meine Vergangenheit, zurück an den Niederrhein, an den Ort, den ich nicht besonders mochte: das OHG. Trotzdem freute ich mich auf die Begegnungen mit den Menschen, die mal Teil meines Alltags waren. Seltsam war jedoch, wie wenig sich manche geändert hatten. Äußerlich schon, aber innen drin, als Mensch? Die meisten, die schon früher A… waren, waren es immer noch. Beständigkeit hat auch was Verlässliches. Mit anderen hingegen war man, so wie früher, sofort wieder warm und freute sich gegenseitig. Und die Lehrer? Tja, die waren alt geworden, in Ehren ergraut, aber gerade darum erschienen sie mir auf einmal menschlicher, näher. Die Lehrer-Schüler-Distanz war auf einmal weg und man kam sich näher, wurde vertrauter. Ich habe noch lange mit ihnen gesprochen und es tat gut, manches aus- und anzusprechen, zu bereinigen. Mit Werner Radermacher pfegte ich weiterhin Kontakt, er lachte gern über meine Spökskes, die ich ihm per E-Mail zukommen ließ. Gelegentlich telefonierte man auch, zuweilen sehr lange. Bis Wolfhard Schulz in einem Telefonat beiläufig erwähnte (Hast du schon gehört?), dass Werner Radermacher gestorben sei.
Gar nicht mal so alt ist er geworden, mein »uralter« Lehrer. Leider. Ich denke oft an den kleinen, wuseligen, immer einen Glimmstengel in der Hand haltenden Mann. Und dann vermisse ich ihn …
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Wolfhard Schulz
Herr Radermacher war, wie man heute sagen würde »echt cool«! Einmal haben wir ihn richtig erwischt. Die Klassenraumtür wurde ausgehängt und durch die Tür des Putzmittelraumes (?) unseres Flures ersetzt. Die Aufhängung identisch, die Tür jedoch von geringerer Höhe, oben fehlten ca. 20 cm. Herr Radermacher kam also zum Unterricht und schloß wie immer schwungvoll die Tür, nur um festzustellen, dass oben eine Lücke blieb, was ihn dann doch nicht wenig verwunderte. Dementsprechend war sein Gesichtsausdruck. Er nahm es mit Humor: »So, nun bringt das mal wieder in Ordnung!«.
Er war auch bekennender Modellbahn-Liebhaber! Unvergesslich seine Anleitung für ein selbstgebasteltes Destinationsschild für Modellwagen: Einfach auf dem Bahnsteig ein Originalschild mit einer Kamera (50 mm-Normalobjektiv, Abstand 4,42 m fotografieren. Mit einem Kontaktabzug 24 x 36 mm erreichte man dann genau den richtigen Maßstab (vermutlich H-Null, 1:87) zum Ausschneiden und Applizieren! Es gab dann Überlegungen in der Klasse, ihm für seine oberschlesischen Modelle zum Geburtstag ein Tütchen oberschlesische Steinkohle im Masstab 1:87 zu besorgen! Leider ist nicht überliefert, ob es zur Ausführung kam. Hätte ihm aber ganz bestimmt gefallen!
Henning Lauterbach (Böge)
Ich kann mich noch gut an folgende Sprüche von Herrn Radermacher erinnern: »Leute, kauft euch Kämme, es kommen lausige Zeiten!« und sinngemäß: »Wenn ich laut bin, braucht ihr euch keine Sorgen zu machen, gefährlich wird’s, wenn ich leise spreche!«. Herr Radermacher war MSV-Fan und ein sehr guter Geschichtslehrer.
- Herr Richter (Englisch)
Nach Werner Radermacher hatten wir Herrn Richter, den wir ebenfalls cool fanden. Bis auf das, dass er irgendwann unsere Lieblingsdame aus dem Schulbüro wegheiratete. Die war dann mal weg!
In bester Erinnerung geblieben ist mir unser London-Trip. Das war wohl 1973. Mein erster Flug. Mit Dan Air, dazu bei Nacht. Im Mondlicht über einem riesigen Wolkenteppich zu schweben war irgendwie surreal, aber wunderschön. Herr Richter und ich saßen nebeneinander in Höhe der rechten Tragfläche. Je länger der Flug dauerte, desto einsilbiger wurde mein Lehrer. Ich bemerkte Schweißperlen auf seiner Stirn – increasing »fear of flying«. Vorsorglich hatte er eine Flasche Whisky aus dem Duty-free in seiner Achselhöhle gebunkert, Marke »Teacher’s« – sehr passend, wie ich fand – zur Beruhigung seines sensiblen Nervengeflechts, wie er entschuldigend anmerkte. Die Abstände zwischen den verstohlenen Nips wurden kürzer. Ich sprach ihm leise Mut zu (»Keine Angst, ist noch keiner oben geblieben!«), aber je länger ich das versuchte, desto mehr infizierte er mich mit seiner Flugangst. Dann entdeckte ich einige genietete Flicken auf der Tragfläche. Einer bewegte sich verdächtig stark im Flugwind, fehlte wohl die eine oder andere Niete? Wie viele losgelöste Nieten so eine Tragfläche wohl schadlos abkönne, dachte ich? Man könnte ja mal bei der Flugbegleiterin nachfragen. »Stewardess, please! How many – Herr Richter, wie übersetzt man abgelöste Tragfläche?«
Der Mann war nicht mehr zu gebrauchen. Allein um seine Stirn trockenzulegen, hätte es ein Badetuch gebraucht. Die Stewardess schaute aus dem Fenster und lächelte beruhigend: »Don’t worry, sir! Everything’s fine!«, verfügte sich dann aber eilig in Richtung Cockpit. Everything’s fine? Really? Hatte sie nicht einen zweifelnden Ausdruck in ihrem Lächeln? Na toll, Richter hatte mich glücklich mit seiner Angst angesteckt!
Als wir landeten (das Aufheulen der Triebwerksumkehr gab uns den Rest), krallten sich unsere Finger tief in die Sitzlehnen. Ich vermute, die mussten danach ausgetauscht werden. Heute noch spüre ich in meiner Erinnerung den Schmerz in meinen Gelenken. London war tiefdunkel, Richter blau und ich wachsweiß. Wir stützten uns gegenseitig und wankten die Gangway hinunter. Kurz darauf fielen wir gemeinsam auf die Knie und küssten den ungeweihten, anglikanischen Boden, Jahre bevor Johannes Paul II es zelebrierte. Klarer Fall, der hatte auch Flugangst! Irgendwie seltsam, dass selbst und gerade ranghöchste Priester den Besuch bei ihrem Chef so lange wie möglich hinausschieben wollen.
London selber war g*** … also great! Jede Menge Freilauf und wir juniors on tour: Detlef Hommes, zwei andere und ich auf abendlichem Ausflug durch die Pubs. Bei der Heimkehr finden wir die Herberge verschlossen vor. Also ab über den Zaun zum noch offenen Hintereingang. Denkste – zwei Bobbies griffen uns auf und verhörten uns auf der Strasse. Ich versuchte einem der beiden die Sachlage zu verklickern. Detlef griff mit einer lässigen Handbewegung in seine Jackentasche … – »Hands up! HANDS UP!«, herrschte ihn der andere Polizist an. Während Detlef den Hampelmann an der Mauer machte und sich befummeln lassen musste, smalltalkte ich mit dem anderen Polizisten. Oh, how nice, aus Germany seid ihr! Und wie denn die gegenseitigen Chancen bei der WM’74 seien? Sein Kollege gesellte sich inzwischen zu uns. Wir plauderten noch ein wenig und wurden schließlich freundlich verabschiedet: »Have a pleasant stay!« Später, wir waren mittlerweile auf dem Zimmer, vermissten wir den Freund. Irgendwann schaute einer aus dem Fenster. Unten stand der arme Hommes noch an der Mauer, Beine gespreitzt, abgestützt auf beiden Händen. Rührte sich keinen inch! Der Abend hatte anscheinend eine nachhaltige Wirkung, inzwischen ist Detlef Staatsanwalt – sicher ist sicher!
- Heinz Norden (Geschichte)
Heinz Norden hatte aus der Zone rübergemacht. Ich erinnere mich, wie er uns gegenüber nicht ohne Bedauern schilderte, dass der individuelle Zusammenhalt dort größer war als im Westen. In unserer Ellbogengesellschaft vermisste er ein wenig den »gemütlichen, sozialistischen Stallmief«.
Herr Norden, seines Zeichens Oberstudiendirektor, hatte das Benehmen eines Gentleman. An einen seiner seltenen Ausbrüche erinnere ich mich und den Spruch habe ich für die Fälle vorgemerkt, wenn im Benehmen mancher Zeitgenossen etwas aus dem Ruder läuft: »Ich werd‘ euch Mores lehren!« – Herrlich stilvoll, der Mann! Nur einmal fiel er etwas aus der Rolle und das auch noch gegenüber dem allseits geschätzten »Papa Buchmann« oder »Vati«, wie die Schüler ihren Direx nannten. Es kam zu einer kurzen, aber heftigen Auseinandersetzung zwischen den Herren Buchmann und Norden, die in Nordens »wüster« Beschimpfung gipfelte: »Sie – Schulleiter, Sie!« – Na, sowas aber auch! Alles halb so schlimm, am Niederrhein herrscht ein entspanntes, beziehungsweise entspannendes Klima. Man ist sich nicht lange böse oder gar nachtragend. Schon am nächsten Tag vertrugen sich beide Kontrahenden wie beiläufig. Herr Nordens versöhnliche Geste bestand aus einem Satz und einem Angebot, das Vati nicht ablehnen konnte: »Herr Schulleiter, darf ich Sie zu einer Banane einladen?« – Eine Geste mit Symbolkraft: In der »Zone«, wo er, Norden, herkam, waren Südfrüchte durchaus eine Seltenheit. So löste man OHG Ost-West-Konflikte.
Unvergesslich sind Einigen auch Herrn Nordens kurzfristig als Ortstermine getarnte Unterrichtsstunden im Café Schollin! Nicht nur dort konnte er Geschichte in geselliger Atmosphäre sehr gut vermitteln!
- Kurt Bartlewski (Mathe, Physik, Sport)
Ich hatte bei ihm Mathe und Physik. Wegen Physik machten wir eine Anleihe bei Heinrich Spoerl und nannten ihn »Bömmel« (Da stelle mir uns janz domm und sache mer so…). Denke ich an KB, sehe einen dunkelhaarigen Mann in der Kombi aus grauer Hose und blauem Zweireiher, unter dem Arm das »Große Besteck« für Tafelanschriebe: Lineal, Geo-Dreieck, Winkelmesser und Zirkel. Zu Unterrichtsbeginn die obligatorische Lernzielkontrolle. Dabei führte er sein Notenbüchlein dicht unter seine geradezu klassische Habichtsnase, fuhr mit seinem Kuli über die Seiten und suchte dabei, listig über den Buchrand blickend, ein Opfer: »An die Tafel, Mufti!«, lautete seine Aufforderung an den Delinquenten. Aber er war fair und wenn man auch nur das geringste mathematische Talent besaß, kam man mit seiner Hilfe durch die Prüfung.
Auch wenn die Versetzungen anstanden, ließ er uns nicht im Unklaren: »Es ist mir untersagt, euch die Noten vorab zu nennen! Aber ihr dürft mich alles fragen, schließlich bin ich euer Lehrer. Und wenn ich euch auch nichts sagen kann, (*zwinker*) – den Kopf schütteln und Nicken darf ich! « Und so fragten wir und er nickte oder schüttelte. Seine Mimik, besonders wie er dabei seine dichten, schwarzen Augenbrauen hochzog, war ganz großes Theater. Solche Lehrer wünscht man seinen Kindern.
Bömmel war bekennender S04-Fan und manchmal durften ihn Schüler »auf Schalke« begleiten. Die Montagsfrage lautete daher stets: Wie hat Schalke gespielt? Hatte »Stan« Libuda getroffen oder versagt? Davon hing Bartlewskis Laune ab – und ob wir einen lauen Vormittag haben würden oder nicht. Klar, dass in den ersten Wochenstunden die Spiele mit ihm diskutiert wurden. Je erfolgreicher seine Knappen abgeschnitten hatten, desto milder war Bömmel gestimmt. Kein Wunder, dass sogar die Nichtfußballer unter uns am Wochenende den Schalkern die Daumen drückten.
Ach ja, – Herr Bartlewski war übrigens von 1989 bis 1996 Oberbürgermeister von Gelsenkirchen und dürfte damit einer der wenigen, wenn nicht der einzige OHG-Lehrer sein, von dem es einen Wikipedia-Eintrag gibt. Kurt Bartlewski verstarb 2021 mit 93 Jahren.
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Wolfhard Schulz
Er war immer überdurchschnittlich gut gekleidet!
Jörg Köster
Er fuhr einen Opel Kadett mit GE Nummernschild.
- Klaus Eisenacher (Mathe)
Klaus Eisenacher war so ’n jungenhafter Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ. Hatte eine unheimlich sympathische Art und wir fanden ihn toffte, heute würde man sagen »cool« oder »stabil«. Eisenacher schien fast noch wie einer von uns. Ich erinnere mich, dass er nach einem Promille-Duell (Pils/Korn/Wacholder) mit seinem Schwager am Montagmorgen schwer angeschlagen erschien. Unser Wolfgang F. konnte besonders gut mit ihm und durfte sich sonst manchen Flachs erlauben. Nicht so dieses Mal: Eisenacher schloss die Tür betont leise, schlich ans Pult und setzte sich, vergrub sein Gesicht in den Händen. Jeder griente, keiner sagte ein Wort. Nach einer gefühlten Schweigeminute setzte Wolfgang zu einer Bemerkung an. Noch ehe sich sein Mund ganz öffnen konnte, kam Eisenachers Stimme dumpf aus der Handhöhle: »Wolfgang, wenn du jetzt was sagst, klatsch ich dich an die Wand!« – Wolfi klappte seinen Mund tonlos wieder zu. Ich sehe heute noch die Frage in seinen Augen: »Woher wusste der, dass ich …?«
Irgendwann war Klassenfahrt. Drei oder vier Tage Berlin. Wie lange genau, weiß ich nicht mehr, Filmriss infolge Alkoholabusus. Jugendhotel Wedding. War insgesamt ein feuchtfröhlicher Ausritt, die Fahrt nach Berlin. Ich verliebte mich vor der Unterkunft spontan und schwer in ein Berliner Girl, das seinen Schäferhund ausführte. Komisch, an den Name des Mädchens erinnere ich mich nicht mehr – der Hund hieß Ako. Jedenfalls beruhte die Sympathie auf Gegenseitigkeit. Also die zwischen dem Mädchen und mir. Die mit Ako auch. Zwei Tage Knutschen (ja, mit dem Girl, nicht mit Ako) bis mir die Lippe anschwoll wie nach ’ner Hyaluronspritze. Am dritten Tag verwechselte ich die verabredete Disko. Der Name fiel mir ums Verrecken nicht mehr ein. Finde mal jemanden in einer gottweißwo Disko, in einer fremden Metropole, die durchgehend geöffnet hatte – 24/7. Das war’s mit Wedding-Girl und Ako-Pet.
Aus Kummer betrank mich im Hotel. Ernsthaft und schnell! Wir auf unserem Korridor, unter uns eine Mädchenklasse im flirtfähigen Alter. Wir tankten Sprit und Mut und ab nach unten. Trotz pazifistischer Grundhaltung sickerten wir in Guerillatechnik in die Räume der Mädchen ein, sehr zum gegenseitigen Vergnügen. Leider verpetzten uns einige unbeflirtete Mauerblümchen bei deren Gouvernante. Eisenacher wurde herbeizitiert und nahm uns gegenüber der Sittenbeauftragten wohl zu sehr in Schutz. Die reagierte moralinsauer dahingehend, dass sie sehen könne, woher seine Schüler ihre laxe Einstellung hätten. Eisi konterte trocken: »Was wollen Sie aus der Provinz schon anderes erwarten!?« – »Und nehmen sie diesen … diesen …«, sie zeigte auf mich und suchte nach einem passenden Ausdruck, ließ letztlich aber offen, was für ein »dieser« ich sei, »diesen … mit!« – »Den hätte ich Ihnen sowieso nicht hiergelassen, wer weiß, was Ihre Mädels mit dem wehrlosen Kerl angefangen hätten!« – Sprach’s, schnappte mich unter dem Arm und hievte mich (ich glaube, im Verein mit Reini Bahl) eine Etage höher. Wach wurde ich erst wieder richtig am nächsten Tag im Zug. Irgendeine Hand machte sich an meiner Gesäßtasche zu schaffen. »Nimm die Hand da weg oder ich dröhn dir eine!«, warnte ich knurrend. »Grensgondrolle, zeisch’n Sie mir ihre Babiere!«, näselte mich der Mauersachse an. Au weia, dass hätte schief gehen können, aber offensichtlich hatte Honnis Scherge Mitleid mit mir. Den Rausch hatte ich nach einem Tag überwunden. Der Herzschmerz dauerte länger.
- Herr (Vorname?) Hertzel (Deutsch, Erdkunde)
Über Herrn Hertzel gibt es nicht viel zu sagen. Er besaß ein hohes Maß an Wissen, dass er leider nicht weitergeben konnte. Irgendwann folgte man ihm nicht mehr. Ich würde gerne Besseres über ihn sagen können (de mortuis nihil nisi bene), aber da müsste ich lügen. Herr Hertzel war ein (vielleicht zu) lieber Mensch, aber für den Beruf leider ungeeignet. Im Unterricht machten viele, was sie wollten: Karten spielen, Asterix lesen oder »themafern« diskutieren. Dementsprechend war der Geräuschpegel. Mir tat er oft leid.
- Klaus Böcker (Deutsch, Geschichte)
Klaus Böcker war nach Herrn Hertzel mein Deutschlehrer – welch Unterschied! Seine Unterrichtsstunden waren das reinste Vergnügen. Ich verbesserte mich von vier auf zwei plus! Verweigerte ich dem Kollegen Herzel vorher jegliche Gefolgschaft, wurden durch Klaus Böcker Themen wie Ödipus, Antigone und sogar das Nibelungenlied hochinteressant. Unbegreiflich? Nicht ganz! Zum Deutschunterricht gehört auch die Stimme des Lehrers und war diese beim Menschen Hertzel eher unsicher, brüchig und monoton, demonstrierte uns Herr Böcker die kam als Seiteneinsteiger zum OHG. von Stimm-Modulation. Kurzum (eines seiner Lieblingswörter), er sprach einfach schön. Außerdem spürte man sein ernsthaftes Bemühen, uns Kultur zu vermitteln. Dabei nahm er jeden Schüler mit und ließ keinen zurück. Wofür man ihn nur danken kann. Was ich hiermit tue!
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Jörg Köster
Da kann ich nur zustimmen. Herr Böcker war als Deutschlehrer eine Koryphäe. Ohne dabei jedoch auch nur im Geringsten arrogant oder überheblich zu sein.
- E. Oemicke und Ludwig »Lulu« Güldenberg (Musik)
Herr Oemicke kam als Quereinsteiger zum OHG. Eigentlich war er Berufsmusiker, »Hauptfach« Oboe. Irgendwann wurde sein Unterricht geprüft: ein Schulrat (oder wer auch immer) kam, um seinen Unterricht und seine Fähigkeiten zu begutachten. Herr Oemicke absolvierte eine musikalische Glanzleistung, in der er so ziemlich ALLE (!) Instrumente eines Sinfonieorchesters präsentierte UND auch spielte! Unvergesslich! Auch sonst war Oemicke ein erinnerungswerter Lehrer und Mensch! Seine Devise lautete ganz offensichtlich »Leben und leben lassen!« – wenn ihr mir nichts tut, tue ich euch auch nichts! Wer ihn nicht störte, bekam grundsätzlich ein »befriedigend«. Was hätte er auch davon gehabt, uns mit Gewalt etwas einzutrichtern, was uns nicht interessierte. So hatte er seine Ruhe und wir die unsere.
Allen anderen, musisch interessierten Schülern widmete er sich mit Hingabe. Viele ermutigte er, selbst zu musizieren. Wenn allerdings die ohnehin geringe Aufmerksamkeit mal gänzlich ins Nichts abzudriften drohte und keine anderen Tricks halfen, erzählte er uns »Spökskes« aus seinem persönlichen Kriegstagebuch. Herr Oemicke hatte eine »künstliche« Nase, will sagen, er durchlitt kriegsbedingst eine plastische Nasenoperation. In Russland hatte er einen Schuss in die Nase abbekommen. Uns Spätgeborenen schilderte Oemicke bildhaft seinen Überlebenskampf und dass er nur durch das Gefrieren seiner Wunde nicht verblutet sei. Trotz seiner plastischen (schon wieder plastisch) Schilderungen war es faszinierend, seinen Erlebnisssen zu lauschen. Wenn uns ein musikalisches Thema (Bach, Fuge und so’n Kram) mal wieder zu langweilig wurde, lenkten wir das Thema geschickt auf das andere Schlachtfeld: »Herr Oemicke, kann man die Schussfrequenz des MG-42 als Staccato bezeichnen?« Schon war der Rest der Stunde gebucht. Funktionierte immer. So wie bei dem Zoologieprüfling, der sich auf Regenwürmer vorbereitet hat und nun über Elefanten referieren soll: »Der Elefant hat einen Rüssel. Der sieht aus wie ein Regenwurm. Der Regenwurm …«
Einmal im Thema Kriegserlebnisse, fand Herr Oemicke nicht mehr raus. Auf diese Weise haben wir mehr über die Grauen des Kriegs gelernt als aus jedem Geschichtsunterricht. Das Verinnerlichen seiner persönlichen Erlebnisse hat viele von uns – nein, eigentlich alle – zu verdammt nochmal überzeugten Pazifisten gemacht. Möge ihm die Erde leicht sein!
Auf Oehmicke folgte Güldenberg. War Oehmicke ein praktizierender Realist, kann man Güldenberg als missionarischen Idealisten bezeichnen. Irgendwie war er oft ’ne Spaßbremse und nahm sich und das Fach einfach zu ernst. Nebenbei spielte er in einer Intellektuellen-Band. Einmal brachte er eine Platte seiner Gruppe mit dem Titel »Blutrot« mit – ein absoluter Abräumer (*muahahhahaaaa*). Ein anderes Mal war es ein Lied über den Bundschuh (1493-1517), der Refrain endete auf »setzt aufs Klosterdach den Roten Hahn«. M-ö-r-d-e-r-Song! Zum Ausgleich durften wir beim nächsten Mal unsere Platten mitbringen. Wir freuten uns auf Disco und schleppten die aktuellsten Singles an. Was Singles sind? Das sind Menschen, die im Handbetrieb … nee, Quatsch! Jetzt mal für alle Spätgeborenen: das waren so runde Vinylscheiben mit einen Loch in der Mitte – ach egal, jedenfalls war Musik drauf. Immer genau ein Titel. Hinten auch. Also auf der anderen Seite. Nicht nur Medaillen haben zwei. Wo war ich? Richtig, Party! Denkste! Ein Song wurde immer nur kurz angespielt, unterbrochen und dann wurde analysiert. Gaaanz toooll! Takt, Rhythmus und so weiter und so fort –
Musiker sind immer ein Stück weit besessen. Da gibt es die genussvollen Selbstversorger, die andere zwanglos teilhaben lassen wollen und es gibt die mit ihrer ureigenen Mission. Güldenberg verorte ich in der zweiten Kategorie. Dementsprechend waren sein Selbstverständnis und seine Ansprüche an uns. Ich weiß noch, wie Güldenberg sich über meine mangelnden Kenntnisse wunderte: »Wie bist du bloß an eine Zwei in Musik gekommen? Was habt ihr bei meinem Vorgänger (Oemicke) eigentlich gelernt?«
Ich: »Das Staccato in G-Doll für Maschinengewehr und Stalinorgel!« War zwar frech, aber ein schöner Heiterkeitserfolg.
Irgendwann dann Musiktest bei Güldenberg: Bestimmen von Takten nach dem Gehör. Lulu spielte was auf dem Klavier vor, Pause und Takt benennen, aufschreiben, und weiter ging’s. Alle hatten eine 1! Das »Klaviergenie« der Klasse – dieses wurde strategisch vorteilhaft positioniert – gab alles vor, linker Fuß und rechter Fuß zuckten jeweils immer kurz, jeder konnte ihm auf die Füße gucken und mitzählen. Beim nächsten Mal flog der Beschiss leider auf und der verräterische »Vorzucker« musste von da an bei Tests in den Nebenraum!
1973 dann Lulus große Stunde: Schulkonzert! Wir wurden zu einem »freiwilligen« Beitrag vergattert. Kritische Auseinandersetzung mit der Schlagerbranche. Ziel: Vernichtung durch satirische Überhöhung! Sollte eine Parodie auf Dieter Thomas Hecks »ZDF-Hitparade« werden. Mit unserem Physiklehrer gestalteten wir psychedelische Lichteffekte mit handbemalten Dia-Gläsern – wir waren ja arm damals, wir hatten doch nix.
In der Vorbereitung trietzte Michael Haben Güldenberg bis zur Weißglut. Seine AG war mit der Textfindung beauftragt. »Wir wären dann so weit!« – »Lass hören!« – »Auf der Henne sitzt der Hahn, sicher fährt die Bundesbahn!«
Stille, … noch mehr Stille (ist immer so im Auge des Hurrikans), dann Lulus Ausbruch: »nicht wiederzugebende Worte«
Schließlich kamen wir dann doch mit einem selbst verfassten Song im Stile Roy Blacks rüber. Endlich der festliche Abend in der Aula. Ausverkauftes Haus! Dieter Thomas Heck: Wolfgang Herget; Gesang: meine Wenigkeit. Ich fange eine Oktave zu tief an und singe die erste Strophe quasi aus der Unterhose, kämpfe mich aber empor in höhere Regionen. Alles klatscht rhythmisch mit. Mir schwante Schlimmes. Das Publikum machte uns zur Real-Satire. Endlich Schluss! Tosender Applaus, Zugaberufe! Von wegen Satire! Das ging ja wohl voll daneben. Die Leute klatschten wie blöde, schmissen mir Push-up-BHs auf die Bühne … nee, Blödsinn, das gottseidank leider nicht. Alles andere stimmt. Ich kam aus dem Fremdschämen gar nicht mehr raus, vor allem, als die Sextaner am nächsten Schultag Autogramme wollten.
So weit kann man Schwulst gar nicht aufpumpen, dass es den Leute nicht trotzdem gefällt. Deutschem Publikum kann man schlagermäßig alles vorsetzen. Mir bleibt da Luft weg, macht mich atemlos. Nicht nur nachts.
- Gerhard Finke (Kunsterziehung)
In meiner Erinnerung immer mit Wildlederjacke und Barett. War ’ne ziemliche Type, Künstler halt. Obwohl, … für einen Künstler war er eigentlich zu preußisch. Finke ließ in Zweierreihen vor dem Zeichensaal antreten, dann gab er das Kommando »Einmarschieren«. Bestand eine Arbeit, so wie die meine, nicht vor seinem künstlerischen Intellekt, lautete sein Urteil: »K-K!« Neu im Klassenverband – ich hatte eine großzügig ziselierte Schildkröte in einen eigenhändig genossenen und karmesinrot gefärbten Gipsblock geritzt – fragte ich unbedarft nach, was dies heißen soll und Finke raunzte mich an: »Das ist kalter Kaffee, du Bock!«
Nette Umgangsformen hier, dachte ich. Kunst liegt halt nun einmal im Auge des Betrachters! Na, wenigstens warf Finke nicht mit Kreide oder Schlüsselbunden. Ehrlicherweise muss ich einräumen, dass mein Werk es damals nicht in den Ausstellungskatalog der Weihnachtswichtelei meiner Familie geschafft hatte. Was soll’s – schließlich haben viele heute namhafte Künstler es erst nach dem Tode zu Wohlstand (haha) und Ansehen gebracht! Ich muss unbedingt noch mal im Keller nachschauen.
Jedenfalls wunderte ich mich damals, was alles Kunst sein konnte. Zum Beispiel ein Brett mit getrockneter Kacke – Tier oder Mensch entzog sich meiner Kenntnis, das Oeuvre befand sich gottseidank in einer luftdichten Vitrine – drapiert zwischen rostigen Nägeln und einem dazwischen gespannten, ebenfalls verrosteten Drahtverhau. Materialwert geringer als 10 Mark (das ist die echte deutsche Währung, für alle die sich dran erinnern können), ideeller Wert und Sammlerpreis unschätzbar! Der geht in Richtung Fettklecks an Zimmerdecke oder Badewanne (Beuys). Aus dieser Zeit stammt übrigens der Spruch »Ist das Kunst oder kann das weg?«
Der Kunstsaal hatte eine rot geklinkerte Wand, welche Finke wohl nicht in den Kram passte. Also schnappte er sich Pinsel, rote und blaue Plaka-Farbe und malte jeden einzelnen Klinker an: rot, blau. Nach mehreren Wochen war die Wand fertig und rot-blau kariert. Danach saß Finke in jeder Kunststunde in einem hypnoseähnlichen Zustand vor dieser Wand und starrte sie an. Irgendetwas störte die Harmonie, aber er kam nicht drauf, was es war. Man konnte sich ersthaft Sorgen um seinen Gemütszustand machen. Nachdem er fast schon aufgeben wollte, fand er den störenden Spot im Gesamtbild: Aus der Wand ragte ein graues Plastikteil, ein Aufputz-Heizungsregler, der störte die Harmonie! In wochenlanger Arbeit baute Finke einen Vogel aus Pappmache, der, ebenfalls rot-blau angestrichen, genau über das Heizungsteil passte. Wieder und wieder betrachte Finke nachdenklich sein Werk. Plötzlich sprang er auf, schlug mit seinem überdimensionalen, afrikanischen Zeigestock den Pappvogel von der Wand, trampelte auf dem Teil herum wie Rumpelstilzchen und schrie dabei: »Das ist Kack, das ist Kack, Kack, Kack …« –
Finke war halt ein Künstler: emotional, ungebremst, wahrhaftig, kompromisslos. Die meisten liebten ihn! Gerhard Finke starb 2021 in Berlin. Er wurde 104 Jahre alt. Bis zuletzt war er künstlerisch tätig. Sein Gesamtwerk vermachte er als Stiftung der Stadt Wesel.
- Herr Hartmann (Deutsch)
Samstag. Deutschstunde. Ja, Samstagunterricht gab’s mal! Also Deutschschlafen bei Hartmann. Freitag abends/nachts waren nämlich fast alle bis in den frühem Samstag unterwegs. Die Hormone halt. Außerdem mussten wir für den Abend wieder fit sein, Disko und so. Heute heißt das Club, aber das Endziel (…) war wohl dasselbe. Der einzige mit ungebremstem Ehrgeiz war Lehrer Hartmann. Der zog sturheil seinen Unterricht durch und gab dann auch noch Hausaufgaben (tsss) für den Montag auf. Ich kommentierte das mit: »Na toll, jetzt ist das Wochenende auch im A…!« – Dieses Wort erzürnte den guten Hartmann schwer. Ich wies darauf hin, dass ich für den Ausdruck dasselbe Recht reklamierte wie Goethe in seinem Götz, aber unser lieber Hartmann war in mancher Beziehung eher ein zartes Pflänzchen denn ein harter Mann und schien gelegentlich nicht von dieser Welt.
Wir 18- bis 20-jährigen hatten grundsätzlich null Bock auf Unterricht am Samstag. In meinem ersten Abi-Jahr ’76 oder im zweiten ’77 (ja, ich hab’s einmal vergeigt) dann die spontane Idee zur Gegenmaßnahme: Der Soundso und ein paar Komplizen erscheinen nicht zum Unterricht. Grund: Die heutige Hochzeit des Soundso. Die folgerichtig einkalkulierte Nachfrage des Lehrers an den verbliebenen Rest: »Weiß jemand, was mit denen ist?«
»Ja, der Soundso heiratet heute und die anderen sind Trauzeugen – und so …«
Erschütterte Nachfrage Hartmanns: »Wie bitte? MUSSTE der etwa?« – »Wir meinen: Ja!« – »Verdammt! Da seht ihr mal, was passiert, wenn man sich in solchen Dingen nicht mit seinem Tutor abstimmt!«
Riesengejohle und ein allgemeiner, unbürokratisch genehmigter Aufbruch: »Wir müssen dann mal auch los – tschühüß!«
Hartmanns Worte zum Abschied: »Meine besten Empfehlungen an das junge Paar!« sowie sein durchaus ernst gemeinter Hinweis, dass Sonderurlaub bezüglich Flitterwochen 6 Wochen vorher beim Schulamt zu beantragen sei! Es folgte ein Autokorso zum Mädchen-Gymi (Ernst-Barlach-Gymnasium). Zwei Tollkühne wollen eine vorzeigbare Braut aus einem Klassenzimmer entführen: »Guten Tag, wir brauchen eine Braut. Nur kurz. In ’ner Stunde kriegen Sie sie wieder.« – Entsetzter Aufschrei der Lehrerin und die Ansage: »Meine Mädchen bleiben hier!«
Keine Ahnung, ob wir trotzdem eine ergattern konnten. Vermutlich ja. Fortsetzung des Autokorsos durch Dinslaken (Bahnhof usw.) mit abschließenden Ehrenrunden inklusive Hupkonzert auf dem Schulhof vom OHG. Welch ein Spektakel! Die Fenster von Biologie und Physik füllten sich mehr und mehr mit den Umrissen von Lehrern und Schülern.
Ich möchte nicht rumscholzen, aber ob unsere Aktion straffrei blieb, daran kann mich wirklich nicht mehr erinnen. Wahrscheinlich gab es am Montag drauf doch ein bisschen Ärger. Und wenn schon, das war’s wert!
- Dieter »Diz« Geppert
Mein erster »richtiger« Sportlehrer und Fußballtrainer (1968, SV Friedrichfeld 08/29). Bitte entschuldigt, wenn ich hier nicht vom »Herrn Geppert« reden kann. Für uns war er (intern) immer »der Diz«. Supersportler in vielen Disziplinen, Fußball, Bergwandern, Leichtathletik und was weiß ich nicht noch alles. Was er sich abverlangte, wollte er auch von uns sehen. Ein unkritisiertes Nur-mal-eben-so-mitlaufen gab’s beim Diz nicht. Wer kannte nicht sein fordernd motivierende Aufmunterung »Ehrgeiz-Ehrgeiz«. Wir machten daraus sogar einen Schlachtruf: »DIZ-DIZ« (Einer) – »EHRGEIZ- EHRGEIZ!« (Alle).
Beim Diz hatte man immer das Gefühl, selbst 100 Prozent sind für den zu wenig. Einer von uns hatte Mitte des Trainings noch ein trockenes Jersey. Mit dem lief der Diz dann, bis auf dem Trikot große Schweißflecken zu sehen waren. War mein bester Jugendtrainer, der Diz! Von seinem Verein SuS 09 Dinslaken – er bleibt trotzdem immer einer von uns »Hackstädtern« – gibt es einen schönen Bericht zu Dieter Geppert.
Thema Wertschätzung: Der Abi-Jahrgang 2005 benannte die Sporthalle des OHG kurzerhand in »Dieter-Geppert-Halle« um! So was nennt man wohl einen Ritterschlag. Diz verließ den großen Sportplatz am 5.12.2021 im Alter von 80 Jahren. See you Diz – Ehrgeiz-Ehrgeiz!
- Herr Sauerbier (Chemie, Sport, Erdkunde)
Herr Sauerbier in Chemie. Periodensystem auswendig lernen – boah, was für ’ne Qual. Und zu Beginn der Stunde immer die Angst »heute komm ich dran mit aufsagen«!
Sauerbier hatten wir auch in Sport. Er immer im weißen Kunstturndress mit langer Hose und ’ner Art Balletschuhen, wir in weißen Unterhemden (T-Shirts waren noch nicht) und blauen Turnhosen: »Hinsetzen, Oberkörper gerade! Arme und Beine hoooch!«
Die Übung mach ich heute noch und bekomme ständig Anpfiffe von meinen Physios, das mache man heute nicht mehr. Klugschwätzer allesamt, wir waren jedenfalls fit und nicht solche Waberhaufen wie die aktuellen Kids. 😉
Im Erdkundeunterricht erzählte er immer mal wieder die gleiche Geschichte von einem Kriegserlebnis in Skandinavien. Er und seine Kameraden bei niedrigen Minustemperaturen, nur mit Unterwäsche bekleidet, in einer selbstgebauten »Schwitzhütte«. Wir kannten das schon auswendig, haben ihn aber selbstverständlich immer ausreden lassen. Schließlich verkürzte sich der Unterricht damit mindestens um die Hälfte.
- Uwe Theiß (Religion, Latein)
Bei Herrn Theiß hatte ich Religion und später Latein. Ich kann mich an einen mehrtägigen Schulausflug ins verschneite Sauerland (Bad Berleburg) erinnern. Muss ’69 gewesen sein. Neunzehnhundert…! Schlittenfahrt mit den Lehrern, jede Menge Fez. Uwe Theiß und ich auf einem Schlitten und er will demonstrieren, wie richtiges Rennrodeln auf dem Zweier auszusehen hat:
»Wir müssen uns ganz nach hinten legen und den Kopf immer unten halten! Wegen dem Luftwiderstand!«
»Wegen des«, denke ich noch, halt aber’s Maul. Und wie sehen wir dann, wohin wir fahren? Egal, der wird schon wissen, was er tut! Irgendjemand (die Bergwacht?) hat uns dann aus einer Schneewehe ausgegraben. Es stellte sich heraus, dass jeder von uns dachte, der andere würde schon schauen, wo’s langgeht. Theiß‘ Kommentar beim Schneeabklopfen: »Wenn wir in der Schweiz verschüttet wären, wär wenigstens der Berhardiner mit dem Schnaps gekommen!« – Mir war’s schnuppe, mit 11 Jahren hätt‘ ich eh nix abbekommen.
– wird fortgesetzt –
Dank an alle Ehemaligen für deren Beiträge zu meinen Posts bei Stayfriends im Jahr 2011:
Werner Lerch; Jörg Köster; Nina Derpmann; Lothar Oelkrug; Thomas Schreiber; Michael Rühl; Wolfhard Schulz; Heinz-Friedrich Spickermann; Friedel Wolske; Rainer Höpken; Henning Lauterbach (Böge); Klaus Steinbring; Rolf Bückmann; Heike Wiemer; Olaf Kliehn; Peter Warnecke; Werner Schweickert; Dirk Lorenz u.v.a.m.